Geschichten
1980;
ein bedeutendes und wichtiges Jahr in meinem Leben! Es war das Jahr
in dem ich mir im Februar mein „Traumauto“, einen Karmann Ghia,
kaufte. Die genaue Bezeichnung für alle Insider: Typ 14 Coupé, Bj. 04/1969, also gerade noch das „schöne“ Modell mit den kleinen Rückleuchten und den niedlichen runden Blinkern vorne. Und nur 2.700,- DM bezahlte ich dem privaten Verkäufer in Augustdorf (Lippe) für den sport- lichen VW in weiß. Zuvor hatte ich im Frühjahr 1977 mein erstes Auto, einen blauen 1963er VW Käfer mit Stahlschiebedach „um eine dicke Eiche gewickelt“. Das Ergebnis war für den Wagen ein Totalschaden; ich selbst entstieg dem Käfer unverletzt und ohne einen Kratzer (und das auch noch ohne Anschnallgurte!). Deshalb
lieber der Wechsel zurück zu VW. 1978 wurde ein blauer T2-Bus „mein
bester Freund aus Metall und Gummi“, bzw. er wurde unser aller Freund in
meinem Bekanntenkreis: „Klaus, kannst Du mir mal eben den „Bulli“ für
nur einen ganz kleinen Transport leihen?“ - etc. etc.! Zwei Jahre lang
hielt ich das durch, dann verkaufte ich ihn wieder, denn oft stand der
T2-Bus über mehrere Tage nicht einmal mehr vor meiner Haustür. Der
Winter 1980/1981 meinte es damals recht kalt mit uns in Deutschland. Ich
erinnere mich noch sehr gut an reichlich Schnee und die eisigen
Temperaturen. Vom Peugeot 104 und auch vom Bulli war ich zuvor mit einer
relativ gut funktionierenden Heizung verwöhnt worden, die mir der Karmann
Ghia aber überhaupt nicht bot. ?????????
Wofür ????????? Von
außen auf die Windschutzscheibe geschüttet und angesteckt, war die Scheibe
für die nächsten 5 bis 15 Minuten (je nach Benzin und Brenndauer) eisfrei. |
![]() 1977: Mein erstes Auto, ein VW Käfer mit SSD, Bj. 1963
|
Der Karmann, der während einer Demo brannte. Im
Januar 1981 hatte der Winter uns noch immer fest im Griff, und es war ein
später Sonntagabend, als ich auf meiner Heimfahrt von einem Kneipenbesuch
mit dem KG in Detmold liegen blieb. Ich hatte mal wieder den Tank leer
gefahren! So schob ich zusammen mit
meinem Beifahrer und Kumpel „Didi“ das leblose Gefährt auf einen
großen Parkplatz in unmittelbarer Nähe der ehemaligen Druckerei „Klingenberg“. Die
beste Lösung in diesen Moment schien für uns, den Wagen einfach stehen zu
lassen und nach Hause zu gehen. Ich würde mir am nächsten Morgen Vaters
vollen Benzinkanister greifen und so ausgerüstet den Wagen wieder
aufsuchen. Ein kurzes Auffüllen des Tanks , den Motor starten, und dann könnte
ich weiter zu meiner Arbeitsstelle nach Horn-Bad Meinberg fahren. Gesagt
- getan! Der Wind schlug mir bitterkalt an jenem 12. Januar 1981 entgegen,
als ich um 6.00 Uhr das Haus verließ. Meine Arbeitstasche hatte ich mir
seitlich um die Schulter gehängt, in der linken Hand trug ich den vollen
Benzinkanister und meine rechte Hand umklammerte ein Feuerzeug, mit dem ich
mir zuvor eine Zigarette „für den kalten Weg“ angezündet hatte. Zehn
Minuten später erreichte ich das Hotel „Lippischer Hof“, vor dem ein
ungewohnter Trubel an diesem frühen Morgen herrschte. Zuvor hatte mich
schon die lange Autoschlange mit „stop and go“
in der Paulinenstraße gewundert, und auch die hohe Anzahl von
Streifenwagen auf den Straßen fiel mir auf. Am Hotel war eine Polizeisperre
in Richtung Hornsche Straße eingerichtet worden. Jedes Auto wurde mehr oder
weniger von den vielen Polizisten „begutachtet“ , um danach weiter
fahren zu dürfen. Nun kam ich zu Fuß an diese Stelle und wurde sofort
aufgehalten. „Wo wollen Sie denn hin?, wurde ich im recht rauen Ton
gefragt. Bevor ich antworten konnte, hörte ich eine zweite Stimme: „Schau
mal, der hat ja einen Benzinkanister dabei!“ Und nun dämmerte es mir so
langsam in der frühmorgendlichen Dunkelheit, was hier Sache war. Die
ehemalige Druckerei Klingenberg stand schon seit einiger Zeit leer, und das
historische Betriebsgebäude in der Hornsche Straße 40-42 war von
Mitgliedern der Detmolder Kulturinitiative und anderen Gruppen Ende November
1980 besetzt worden, um den geplanten Abriss seitens der Bezirksregierung
Detmold für deren Expansion zu verhindern. Seitdem fanden in den besetzten
Räumen Theater- und Kabarettaufführungen statt, um die Forderung einer
Einrichtung eines autonomen Jugend- und Kommunikationszentrums in Detmold zu
verstärken. Das Angebot an Kultur- und Freizeitmöglichkeiten war zu dieser
Zeit besonders für Jugendliche in Detmold recht dürftig. Jedoch halfen
diese und andere Aktionen, und auch der Beistand politischer Gruppen,
Parteien, Vereinen und Bürgern nichts, denn der Regierungspräsident als
Eigentümer positionierte sich über die Wochen hinweg, dass die Besetzer
gewaltsam in die Gebäude eingedrungen und sich damit einer strafbaren
Handlung schuldig gemacht hätten. „Stellen
Sie mal den Kanister auf den Boden und zeigen Sie mir bitte Ihre Tasche!“.
Dieser Satz riss mich jäh aus meinen Gedanken, und ich folgte wie
automatisch der Aufforderung des Polizisten. Als ich ihm meine Tasche gab,
bemerkte er mein Feuerzeug in meiner rechten Hand. „Ein voller
Benzinkanister nebst Feuerzeug - was wollen wir denn anzünden?“ Nach ungefähr dreihundert Metern erreichte ich meinen Karmann Ghia. Der Wagen war total übergefroren - „Ganz in Weiß ...!“ - nur dass der Blumenstrauß aus Eisblumen bestand. |
So nahm ich mein Feuerzeug und
bearbeitete mit dem Feuerstrahl den Türgriff. Das Eis schmolz vom Chromgriff und lief als Wasser die Tür hinab. Es dauerte aber
noch einige Zeit, bis ich endlich den Schlüssel im Türgriff drehen konnte.
Die Tür ließ sich nur sehr schwer öffnen, da die Gummidichtungen durch
Eis stark an der Karosse hafteten. Dementsprechend musste ich diesen „Einstieg
in der Dunkelheit“ recht behutsam angehen, wenn ich die Gummidichtungen
nicht beschädigen wollte. Schließlich im Fahrzeug zog ich den Zughebel im
Innenraum, der die Tankklappe eines Ghias aufspringen lässt. Das klappte
sogar auf Anhieb, die Klappe sprang auf, und der umständliche Weg zum
Benzineinfüllen war nun endlich bewältigt! So
verteilte ich das restliche Benzin auf die Front- Um
nicht doch noch in ein „Polizeigespräch“ verwickelt zu werden, begab
ich mich schnell in mein Auto, um sofort den Anlasser zu betätigen. Nach
drei Versuchen erwachte mein treuer Karmann wieder zum Leben. Der Motor lief
gleichmäßig und ich fuhr im Schritttempo vom Parkplatz. Gut, dass ich nun
nicht mehr zurück in die Innenstadt musste, denn jetzt standen die
Polizisten vor der ehemaligen Fabrik und blockierten den Weg. Mir kam in
Höhe des Gymnasium „Leopoldinum“ ein Demonstrationszug entgegen. Wie
viele Menschen demonstrierten, weiß ich heute nicht mehr genau, es waren
aber nicht wenige. Geholfen hat es nicht! Die Klingenbergfabrik wurde mit
diesem Großeinsatz der Polizei von „Besetzern“ geräumt. Mein
Karmann Ghia brachte mich jedenfalls an diesem Montag sogar noch pünktlich
zur Arbeit und von daher verlief dieser unvergessliche Tag für mich noch
recht befriedigend. In den folgenden Tagen kletterte auch das Thermometer
endlich aus den tiefen Minusgraden und das Fahren mit meinem Ghia machte
wieder Spaß. Und
auch mein Karmann Ghia hat diese Zeit bis heute überdauert. Mein Zeitzeuge,
der an jenem Tag das letzte Mal brannte, danach habe ich mein „Traumauto“
nie wieder angezündet! |