WISSENSWERTES
Sonderkarossen auf VW-Basis
 =  die "Verwandten"  des  Karmann Ghia

                                                                                                                               Letzter Stand: 10. 03. 2010


Sonderkarossen 

Maß-Arbeiten: Sonderkarossen auf Käfer-Basis

Autor: Uschi Kettenmann · 23. Februar 2010


Autostadt ZeitHaus Wolfsburg

Die Autostadt mit dem ZeitHaus in Wolfsburg.

Die Präsentation in Essen ist der Auftakt zum zehnjährigen Jubiläum: Die Autostadt in Wolfsburg zeigt auf der Techno-Classica (7.-11. April 2010) automobile Blech- und Aluminium-Haute Couture der 1950er Jahre. Unter dem Motto „Vernunft trifft Luxus“ dokumentieren zehn teils extrem rare, in jedem Fall aber hochelegante Fahrzeuge auf der Plattform des VW Käfers die Vielfalt von deutschen, österreichischen, italienischen und Schweizer Karossiers.

Blumenvase VW Käfer

Gipfel des Wolfsburger Luxus: die Blumenvase.

In den 1950ern war der Käfer das Maß aller Dinge. In Wolfsburg lief nur er vom Band – abgesehen vom Transporter, dessen Produktion 1956 nach Hannover verlagert wurde. Zwei Pkw-Varianten standen den Kunden zur Wahl: Limousine Standard und Limousine Export. Ein Faltschiebedach konnte ab 1950 für 250 DM als Extra geordert. Der Gipfel des Luxus war die Blumenvase am Armaturenbrett – und das reichte nach Ansicht von VW-Direktor Heinrich Nordhoff. Wer statt der vernünftigen Limousine etwas Eleganteres oder gar Schnelleres von Volkswagen haben möchte, der biss in Wolfsburg auf Granit – zunächst jedenfalls. Denn nur die von Karmann in Osnabrück und Hebmüller in Wülfrath bei Wuppertal Ende der 40er Jahre konzipierten Käfer-Cabrios fanden nach eingehender Prüfung Gnade vor den Augen der VW-Ingenieure und deren oberstem Vorgesetzten.

Hebmüller Käfer Cabrio

Nur 696 Exemplare entstanden vom Hebmüller-Cabrio.

Hebmüller baute eine zweisitzige Version mit knapp geschnittener Kapuze (Cabriolet A) – allerdings mit kurzer Karriere im Gegensatz zum Karmann-Cabrio. Von dem verheerenden Brand 1949, der wegen Wassermangels nicht gelöscht werden konnte, erholte sich der Karosseriebauer nie mehr: Als 1952 bei Hebmüller der Konkursverwalter die Regie übernahm, waren gerade 696 Exemplare fertig gestellt– eines der ersten von 1949 zeigt die Autostadt in Essen.

Die Rolle der sportlich-eleganten Hebmüller-Version sollte später der Karmann-Ghia übernehmen – und das äußerst erfolgreich. Über 445.000 Käufer in den knapp 20 Jahren seiner Laufbahn fand das exklusiven Designer-Auto mit der wirtschaftlichen Technik.
Der Karmann Ghia verband wie kein Konkurrent Vernunft mit Extravaganz.

Entworfen hat das Zweisitzer-Coupé der Italiener Luigi Segre, Chefstilist der Turiner Ghia S.p.A. 1955 wurde die Serienversion vorgestellt – mit seinem schnittigen Design eine rollende Antithese zur Ernsthaftigkeit des Käfer. Der Karmann-Ghia, 1957 um eine Cabriolet-Version ergänzt, erhielt wie das Käfer-Cabriolet den Ritterschlag eines vollwertigen Volkswagen-Familienmitglieds. Anderen Spezial-Versionen und ihren Schöpfern erging es weniger gut: Heinrich Nordhoff versagte ihnen die Lieferung bloßer Bodengruppen ohne Karosserie und begründete dies 1954 in einer Pressekonferenz mit den Worten „...wir sind eine Automobilfabrik und keine Chassisfabrik. Wir wollen es in der Hand behalten, wie der Wagen aussieht, der unseren Namen trägt.“ Trotzdem entstanden auf dem dafür bestens geeigneten Plattformrahmen des Käfers auch ohne den Segen Nordhoffs immer wieder luxuriöse Geschöpfe – zum Beispiel bei Rometsch in Berlin.
Rometsch Beeskow
Nur rund 160 Rometsch Beeskow wurden zwischen 1950 und 1957 gebaut.

Drei dieser Rometsch-Schönheiten, die einst auch Hollywood-Stars wie Audrey Hepburn oder Gregory Peck fuhren, stehen im Mittelpunkt der Autostadt-Sonderausstellung. Erstmals seit über 50 Jahren werden hier Coupé und Cabriolet des frühen Rometsch-Modells mit der Bezeichnung „Beeskow“ gemeinsam gezeigt. Ab 1950 offerierte Fritz Rometsch elegante Sportwagen auf dem Plattformrahmen des Volkswagens. Verantwortlich für das Design der attraktiven Aluminiumkarosserie war mit Johannes Beeskow der ehemalige Konstruktionschef des Berliner Karosseriebauers Erdmann & Rossi. Insgesamt entstanden in den Jahren 1950 bis 1957 nur etwa 160 Rometsch-VW im Beeskow-Design.
Rometsch Beeskow Coupés
Bis zur Techno-Classica wird die Restaurierung des Rometsch Beeskow Coupés abgeschlossen sein.
Das rechtzeitig zur Techno-Classica komplett restaurierte Coupé von 1951, eine Leihgabe der Rometsch-Spezialisten Grundmann, ist der älteste von weltweit nur 33 bekanntermaßen noch existenten Beeskow-Rometsch – und zugleich das einzige überlebende Coupé mit geteilter Windschutzscheibe. Das Cabriolet aus dem Jahr 1952, eines von nur vier heute noch existenten Exemplaren, ist eine besondere Besonderheit: Statt von einem Volkswagen-Motor wie die meisten Rometsch wird es von einem Porsche-Motor beschleunigt, wie er auch im 356/1500 Verwendung fand.
Rometsch Lawrence Coupé
Chrom, Heckflossen und Panoramascheiben: das Rometsch Lawrence Coupé von 1959 mutet amerikanisch an.
Keinerlei sichtbare Ähnlichkeit mit dem Käfer hat das 2001 von Grund auf restaurierte Rometsch Lawrence Coupé von 1959: Dem amerikanisch anmutenden Wagen verlieh der Berliner Designer Bert Lawrence Heckflossen und eine Panoramascheibe. „Ein Wagen für den verwöhnten Anspruch“, hieß es in einem Prospekt der Berliner. Vor allem im Innenraum bot das Auto für damalige Zeiten ein überaus luxuriöses Ambiente. Nach nur 85 gebauten Lawrence-Volkswagen war 1961 allerdings Schluss: Rometsch fand nach dem Mauerbau keinen adäquaten Ersatz für die aus Ost-Berlin stammenden Facharbeiter.
Beutler Logo Schriftzug
Bei Beutler in Thun entstanden ab 1945 hochwertige Sonderkarosserien.
Zu den Top-Raritäten zählen die zählen die Aluminium-Pretiosen der Gebrüder Beutler, die ab 1945 hochwertige Sonderkarosserien im schweizerischen Thun bauten. So erhielten sechs der ersten, noch im österreichischen Gmünd gebauten Porsche 356 bei Beutler Cabrio-Aufbauten. Ende der 1950er Jahre entwickelte Beutler zudem viersitzige Heckmotor-Coupés, zunächst auf der Käfer-Bodengruppe, jedoch bereits wahlweise Porsche 356-motorisiert, später auf Basis des 356 B.
Das Beutler-Cabriolet aus dem ZeitHaus der Autostadt in Wolfsburg ist das erste (und einzig erhaltene) Exemplar von drei in den Jahren 1953 bis 1956 gefertigten Beutler-Cabrios auf Basis des Volkswagen 1200. Dessen Boxermotor, serienmäßig 30 PS stark, leistet dank eines Judson-Kompressors über 40 PS. Gleich bei seiner öffentlichen Premiere anlässlich des Genfer Automobil-Salons erhielt der Beutler im März 1954 die Auszeichnung „La Rose d´Or“ für besondere Eleganz. Eine Tochter aus wohlhabendem Haus kaufte das Cabriolet vom Stand weg und fuhr bis 1959 rund 35.000 Kilometer damit. Der Zweitbesitzer fuhr weitere 30.000 Kilometer und legte den Wagen 1967 still. Das Cabrio ist im Originalzustand – einzig das brüchige Verdeck wurde mittlerweile ersetzt.
Beutler-Cabriolet
Das Beutler Cabrio von 1953 – das einzige überlebende von drei gebauten Exemplaren.
Das in nur fünf Exemplaren gebaute Beutler Porsche Spezial Coupé war nichts für den schmalen Geldbeutel: Insgesamt 19.750 Schweizer Franken zahlte der Erstbesitzer 1957 für den Wagen – der Porsche 356 A kostete damals nur 15.750 D-Mark. Unter seiner Heckhaube tönt ein 75 PS-Triebwerk aus dem Porsche 356 A 1600 Super, verzögert wird mit einer Porsche-Bremsanlage – gut genug für eine Höchstgeschwindigkeit über 160 km/h, und das mit drei Personen.
Beutler Spezial Coupé
Über 160 km/h schnell: Beutler Spezial Coupé mit Porsche-Motor von 1957.
Aus Österreich stammt der Denzel Sport. 1948 startete Wolfgang Denzel in Wien seine erste, vorerst "WD-Equipment" genannte, Sportwagenproduktion auf VW-Basis. Bis 1959 entstanden rund 65 der extrem leichten und ultrakurzen Denzel-Sport – mit denen der BMW-Generalimporteur, der auch den BMW 700 in Eigenregie entwickelt hatte, speziell bei Bergrennen äußerst erfolgreich war. Etwa 28 davon haben bis heute überlebt – darunter das präsentierte Exemplar im Originalzustand, ebenfalls eine Leihgabe der Familie Grundmann.
VW Käfer Stoll-Coupé
Unikat: Das Stoll-Coupé ließ sich 1952 ein Rechtsanwalt bauen.
Ein Unikat ist das viersitziges Stoll-Coupé, das in seiner Forma stark an das Hebmüller-Cabrio von 1948 erinnert.. Ein Rechtsanwalt aus Bad Nauheim hatte den Umbau seines 1951er-Käfers bei der Firma Stoll (heute Ackermann/Fruehauf in Wolfshagen bei Kassel) 1952 in Auftrag gegeben. Das Einzelstück ging in den kommenden Jahrzehnten durch viele Hände und wurde Anfang der 1990er Jahre von einem Engländer liebevoll restauriert.

Und natürlich darf neben den zehn Fahrzeugen nicht deren verbindende Grundlage fehlen: ein Schnittmodell eines Volkswagen Typ 1 Käfers, bei dem die typische Plattform-Bodengruppe sichtbar wird. Jene Bodengruppe diente 21.529.464 weltweit gebauten Käfern als Basis– rund so vielen Käfern also, wie Besucher in nur zehn Jahren nach Wolfsburg fanden, um die Autostadt zu besuchen…
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© Fotoquelle / Bildrechte: Autostadt Wolfsburg, Volkswagen, C. Grundmann